04.12.2018
Deutschland ist eine große Wolfs-Versuchsfläche – und wir sind Teil des Experiments
Heute, Anfang Dezember 2018, haben wir zwei Wolfsrudel in unmittelbarer Nähe zur Bremer Landesgrenze. In Gnarrenburg und in Garlstedt gibt es Jungwölfe, die jetzt anfangen ihren Aktionsradius auszuweiten. Diese Tiere werden früher oder später auf Bremer Gebiet vordringen. Wir haben im Juni den ersten Wolfsriss an Nutztieren in Bremen erlebt. Damit haben wir eine ganz andere Situation als vor einem Jahr. Wir müssen mit einem wesentlich häufigeren Auftreten von Wölfen auch auf Bremer Stadtgebiet rechnen.
Es stellt sich die Frage wie es weitergehen wird? Die Geschichten, dass der Wolf scheu und harmlos ist, gelten mittlerweile als überholt. Wir wissen aus unterschiedlichen Regionen in Niedersachsen, in denen sich Wolfsrudel angesiedelt haben, dass diese die Anzahl der Wildtiere regional massiv reduzieren. Nach uns vorliegenden aktuellen Informationen gibt es Regionen, in denen es offensichtlich in diesem Jahr kaum oder keine Rehkitze mehr gibt, in denen es auch kaum oder keine Rotwild- oder Damwildkälber mehr gibt und auch der Schwarzwildnachwuchs zunehmend verschwindet. D.h. es fehlt der komplette Jahresnachwuchs der Hauptbeute des Wolfes. Das Wild verändert zudem sein Verhalten sehr stark. Rehwild ist tagsüber gar nicht mehr zu sehen und tritt nur noch nachts sehr vorsichtig zum Äsen aus den Dickungen aus. Rotwild verlässt teils auch unter massiven Druck die Dickungen tagsüber nicht mehr. Die Wildunfallzahlen nehmen auch in Bereichen zu, in denen bisher kaum Wildunfälle zu verzeichnen waren. Schwarzwild führt die Frischlinge nachts nur noch sehr vorsichtig. Die Familienverbände verhalten sich dabei lautlos, was unüblich ist. Wir beobachten in Wolfsgebieten einen jetzt inzwischen massiven Rückgang des Wildbestandes bei stetig ansteigender Wolfsdichte.
Die logische Folge ist, dass das Risiko von Wolfsübergriffen auf Nutzvieh in diesen Regionen plötzlich sprunghaft steigt, sobald die natürlichen Nahrungsressourcen erschöpft oder so stark dezimiert sind, dass der Jagderfolg der Wölfe sich geringer einstellt. Die Nutztiere werden sehr viel interessanter als vorher sein, wenn der Aufwand, die Erfolgswahrscheinlichkeit und das Risiko des Erbeutens hier optimaler ist als bei den Wildtieren. Die logische Folge ist auch, dass sich die Wölfe immer perfekter an die Umfeldbedingungen in Deutschland anpassen werden. Der Wolf ist extrem anpassungsfähig. Wir erleben heute schon, dass der Wolf sich immer häufiger dem Menschen nähert, tagsüber durch unsere Siedlungen läuft, Nutztiere auch hinter Wolfsschutzzäunen erbeutet, selbst Rinder und Pferde erbeutet, Jogger, Landwirte auf Treckern oder Reitern folgt, sich Menschen mit Hunden annähert. Menschen melden die häufigen, alltäglichen Begegnungen teils schon gar nicht mehr den Wolfsbeauftragten, weil es für sie gar ncihts besonderes mehr ist. Damit wird das Monitoring lückenhaft. Der Wolf probiert jetzt in dem neuen Umfeld alle neuen Möglichkeiten des Beutemachens aus.
Was heißt das? Unsere bisherigen Annahmen, wie sich der Wolf in Deutschland verhalten wird beruhen häufig auf Beobachtungen aus anderen Ländern. Dort gemachte Erfahrungen sollen übertragen werden. Eher harmlose Entwicklungen werden automatisch in die Annahmeszenarien übertragen. Doch gibt es in Deutschland drei wesentliche Faktoren, die ganz anders sind als in anderen Ländern, in denen Wölfe leben:
Es wird zu einer Anpassungsentwicklung des Wolfes an unsere Kulturlandschaft und unsere Dörfer und Städte kommen, die bisher keiner wirklich voraussagen kann. Verhaltensmuster aus anderen Regionen können nicht übertragen werden. In der hohen Anpassungsfähigkeit liegt ein zunehmendes Risiko auch bezogen auf die Begegnungen zwischen Wolf und Mensch. Haben bisher solche Begegnungen in der Regel zwischen einem oder mehreren Menschen gegenüber einem Wolf stattgefunden, werden wir zukünftig Wolfsrudeln gegenüberstehen! Es wird zu Situationen kommen, auf die kaum ein Mensch wirklich richtig vorbereitet ist. Es besteht dringender Handlungsbedarf hinsichtlich der Schaffung von wirkungsvollen Maßnahmen und Methoden zur Regulierung unserer expandierenden Wolfsbestände.
Folgend finden Sie einen Text von Prof. Valerius Geist, einem kanadischen Wissenschaftler, der sich intensiv mit dem Wolf beschäftigt hat. Er beschrieb schon 2007 in einem siebenstufigen Eskalationsmodell die Entwicklung von Attacken des Wolfes gegenüber dem Menschen. Wendet man heute dieses Modell auf unsere Entwicklung in Deutschland an und schenkt diesem Glauben, haben wir vielleicht schon die Stufe 7 erreicht? Eine besorgniserregende Entwicklung! Jeder mag das selber beurteilen ob es auf Deutschald übertragbar ist.
Auszug Valerius Geist - Wann werden Wölfe gefährlich für die Menschen?
Quelle:
Engl. Original: Endgültiger Entwurf v. 29.9.2007
Wann werden Wölfe gefährlich für die Menschen?
Valerius Geist, Professor Emeritus für Umweltwissenschaften, Universität von Calgary,
Calgary, Alberta, Canada. - Übersetzt aus dem Englischen
Da gibt es sieben Phasen, die auf eine Attacke von Wölfen auf Menschen führen:
1) Innerhalb des Gebietes des Wolfsrudels wird die Beute knapp, nicht nur wegen gesteigerter Beutezüge auf einheimische Beutetiere, sondern auch wegen Beute, die ihre Heimatbereiche in großen Massen verlässt, was zu einem praktischen Fehlen von Beute führt. Oder die Wölfe suchen mehr und mehr Abfallhalden in der Nacht auf. Wir beobachteten letzteres im Sommer und Herbst 1999. Hirsche verließen die Wiesengebiete, die von Wölfen eingenommen wurden, und betraten mutig Vororte und Farmen, wo sie – zum ersten Mal – viel Schaden in den Gärten anrichteten, schliefen in der Nacht in der Nähe von Scheunen und Häusern, was sie in den vorherigen vier Jahren nicht getan hatten. Die Überwinterungsgebiete der Trompeterschwäne, Kanadas Gänsen und verschiedener Entenarten wurden verlassen. Die sichtbare Abwesenheit von Waldlife in der Landschaft war bemerkenswert.
2) Wölfe auf der Suche nach Nahrung begannen, sich menschlichen Siedlungen zu nähern – in der Nacht! Ihre Gegenwart wurde angekündigt durch häufiges und lautes Bellen der Farmhunde. Ein Rudel von Schafshütehunden rannte jeden Abend raus, um dem Wolfsrudel entgegen zu treten, was in ausgedehnten Bellduellen in der Nacht mündete. Die Wölfe hörte man sogar tagsüber heulen.
3) Die Wölfe erscheinen bei Tageslicht und beobachten in einiger Distanz die Menschen, wie sie ihre Arbeit verrichten. Wölfe sind glänzende Lerner durch enge ständige Beobachtung. Sie nähern sich Gebäuden bei Tageslicht.
4) Kleinvieh und Haustiere werden in der Nähe von Gebäuden sogar tagsüber attackiert. Die Wölfe sind deutlich mutiger in ihren Aktionen. Mit Vorliebe picken sie sich Hunde aus und folgen diesen bis in die Verandas. Die Menschen, die mit Hunden draußen sind, finden sich wieder, indem sie ihre Hunde gegen einen Wolf oder mehrere verteidigen. Solche Attacken sind immer noch zögerlich, und die Menschen retten einige Hunde. In dieser Phase sind Menschen nicht im Fokus der Wölfe, aber sie attackieren Haustiere und Vieh mit Entschiedenheit. Jedoch können sie auch Menschen bedrohen, indem sie ihre Zähne zeigen und knurren, wenn diese ihre Hunde verteidigen, oder wenn sie sich in der Nähe einer läufigen Hündin oder in der Nähe eines getöteten Tieres oder Aases zeigen, das von Wölfen verteidigt wird. Die Wölfe richten sich immer noch ihr Territorium ein.
5) Die Wölfe erkunden Großvieh, was zu abgebissenen Schwänzen, zu zerfetzten Ohren und Sprunggelenken führt. Das Vieh mag durch Zäune durchbrechen, wenn es die Sicherheit der Ställe erreichen will. Die ersten ernsthaft verwundeten Viehbestände werden gefunden. Sie tendieren dazu, ernsthafte Verletzungen am Euter, in der Leistengegend und an den Geschlechtsorganen zu haben, und müssen getötet werden. Die Aktionen der Wölfe werden immer dreister, und die Herden können auch nahe der Häuser und Scheunen getötet werden, wo sie versucht hatten, Schutz zu finden. Die Wölfe können Reitern folgen und sie einkreisen. Sie können auf Verandas steigen und in die Fenster schauen.
6) Wölfe richten ihre Aufmerksamkeit auf Menschen und nähern sich so nah, anfangs bloß, um sie aus der Nähe für mehrere Minuten zu untersuchen. Das bedeutet ein Wechsel vom Abstecken des Territoriums zum Zielen auf Menschen als Beute. Die Wölfe können zögernde, fast spielerische Attacken machen, indem sie beißen und an der Kleidung ziehen, an den Gliedern und am Körper zwicken. Sie ziehen sich zurück, wenn sie konfrontiert werden. Sie verteidigen getötete Beute, indem sie sich den Menschen zuwenden und sie anknurren und anbellen aus einer Entfernung von 10 bis 20 Schritten.
7) Wölfe attackieren Menschen. Diese anfänglichen Attacken sind ungeschickt, da die Wölfe noch nicht gelernt haben, wie man die neue Beute effizient niederstreckt. Die Menschen können oft wegen dieser Ungeschicktheit der Attacken entkommen. Ein erwachsener mutiger Mann kann einen attackierenden Wolf schlagen oder erwürgen. Jedoch gegen ein Wolfsrudel gibt es keine Abwehr, und sogar zwei fähige und bewaffnete Männer können getötet werden. Wölfe als Rudeljäger können so fähige Raubtiere sein, dass sie Schwarzbären, sogar Grislybären niederstrecken (CIV). Wölfe können ihre getötete Beute verteidigen.